27. SONNTAG im Jahreskreis
Wir leben in einer Welt, in der viel geredet wird, die unterschiedlichsten Meinungen vertreten werden, mit vielen sich widersprechenden Wertvorstellungen. Eine nicht zu unterschätzende Rolle spiel hier die Werbung, die uns glauben lassen will, was wir unbedingt zum Leben brauchen, um glücklich zu sein. Wie kann ich mich in dieser Welt zurechtfinden? Wie kann ich wissen, was gut und anstrebenswert für mich ist? Ich brauche Orientierung, glaubwürdige Richtungsweisung, damit ich nicht orientierungslos hin- und hergerissen werde, nicht zum Spielball von Modetrends und vom Zeitgeist.
Deswegen möchte ich als Christ leben, denn ich glaube, dass Jesus Christus mir Halt und Orientierung für mein Leben geben kann. Das tut er auch im heutigen Evangelium, wo er, aus gegebenem Anlass - weil einige Pharisäer ihn darauf ansprechen - über Ehe und Ehescheidung spricht.
Jesus greift auf die Schöpfungserzählung zurück und sagt: Nach den Vorstellungen Gottes ist eine Ehe auf Lebenszeit der beste Weg für die Liebesbeziehung zwischen Mann und Frau. Diese Lebensform schafft die beste Möglichkeit zu einer tiefen Lebenserfüllung beider Partner. Zwei Menschen sollen beieinander eine Geborgenheit finden, die nicht mehr zerbricht. Ein Philosoph hat es so formuliert: „Einen Menschen lieben heißt, ihm sagen: Ich möchte nicht, dass du stirbst. - Liebe will Ewigkeit“. Das ist nur verständlich, wenn man Liebe nicht mit einem Gefühl verwechselt, sondern Lieben versteht als „Taten setzen“, die das Wohl des anderen fördern. In einer Ehe leben heißt dann, dass ich das nicht für eine bestimmte Zeit will, so für eine kurzen Lebensabschnitt, sondern solange ich lebe. Es ist eine Lebensgemeinschaft, in der diese Taten immer wieder wiederholt werden sollen, ohne Ausnahme. Durch diese Taten sollen Menschen sich immer wieder einander „anvertrauen“, in tiefem Vertrauen miteinander leben.
Dieses hohe Lebensideal ist aber nicht so leicht zu erreichen. Man muss daran arbeiten. Mit dem Eheversprechen bei der kirchlichen Trauung ist dann auch gemeint: Ich übernehme den Auftrag, mich immer um unsere Beziehung zu kümmern. Ich erkläre es zu meiner Aufgabe, unsere Beziehung fest und unauflöslich zu machen. Das ist mein Eheversprechen.
Wir können das mit dem Bild zweier Bergsteiger erklären: Sie sind verbunden durch ein lebensrettendes Seil. Aber dieses Seil gehört gepflegt. Durch die Zeit und durch den Gebrauch können im Seil winzig kleine Risse entstehen, zuerst fürs Auge noch unsichtbar. Ohne Pflege wird das Seil aber immer poröser, bis es eines Tages bricht. Das führt dann zu einer Katastrophe. Man soll es also nicht so weit kommen lassen, dass es reißen kann.
Eine Beziehung gehört gepflegt, sonst zerbricht sie. Es ist, wie es in dem Märchen für Erwachsene, im „Kleinen Prinzen“, heißt: „Du bist zeitlebens für das verantwortlich, was du dir vertraut gemacht hast.“ Jesus rückt das Ideal einer christlichen Ehe – im Sinne Gottes, damit es Menschen gut geht! - in den Mittelpunkt.
Was ist mit Menschen, die an dieser Lebensaufgabe scheitern – aus welchen Gründen auch immer? Darüber sagt Jesus hier nichts. Aber er hat nie jemanden verurteilt, selbst nicht, wenn seine Schuld eindeutig war. Wir kennen diese Szene, wo Jesus eine Frau rettet, die auf frischer Tat beim Ehebruch ertappt wurde: „Wer ohne Schuld ist, werfe den ersten Stein.“ Es ist also nicht unsere Aufgabe, als Christen über gescheiterte Ehen zu urteilen oder sie sogar zu verurteilen – das sollen wir gefälligst Gott überlassen. Aber es ist unsere Aufgabe als Christen dieses hohe Ehe-Ideal anzustreben und als etwas zu propagieren, das für Menschen sehr gut ist und deswegen von Gott so gewollt ist,– uns zwar mit allem, was dazugehört: Verbindlichkeit, Verlässlichkeit, Treue, Barmherzigkeit, Glaube. Eheliche Liebe ist ja eine Hochform, vielleicht die intensivste Praxis der Nächstenliebe, die Jesus bekanntlich zum zentralen Punkt des christlichen Lebens gemacht hat.
Das ruft uns Jesus im heutigen Evangelium in Erinnerung. Dazu will er Mut machen.